In Kirche und Kasino

28.06.2019


Titel

von Boris Eichenberger*

„Was ist eigentlich das spezifisch Christliche an Führung in einer Kirche?“ Die Frage meines Kollegen in der letzten Weiterbildung hat mich doch eher überrascht. Doch als Direktor eines Kasinos hatte er nur wenig Berührung mit christlichen Organisationen. Etwas unbeholfen war entsprechend meine Antwort: „Ich denke, in der Kirche versuchen wir, sowohl die Richtung der Führung, wie auch die Führungsmethoden am Leben und der Botschaft von Jesus auszurichten.“ – „Und jetzt noch konkret?“ Meine Antwort schien weder ihm noch mir verständlich. Wir verschoben unser Gespräch in die Mittagspause und ich hatte mir die nötige Zeit erkauft, meine Gedanken zu sortieren.

Führung ist eine universelle Notwendigkeit. Sie schafft Klarheit, vermittelt Halt, nährt Hoffnung auf eine bessere Zukunft, verbindet einzelne zu einem Gemeinsamen, macht Neues möglich. Um heute eine Kirche oder ein Werk zu leiten, reicht es nicht, Theologe und Seelsorger zu sein! Wir benötigen ein Verständnis für die Mechanismen der Führung, um die richtigen Methoden zweckmässig einzusetzen und kontextuell passend zu leiten. So weit waren meine Gedanken betreffend der Notwendigkeit mal geordnet.

Führung bezeichnet den funktionalen Einfluss, um einzelne oder eine Gruppe von A nach B zu bewegen. Sie ist in erster Linie eine Funktion und damit Dienstleistung. Diese Führungs-(Dienst)-Leistung ist die Organisation einer Sitzung, die Ausformulierung einer gemeinsamen Vision, die Koordination von verschiedenen Arbeitsbereichen, das Verteilen von verfügbaren Ressourcen etc. Sie ist darauf ausgerichtet, einen Weg zurückzulegen, etwas zu erreichen, von A nach B zu gelangen. Doch das trifft auf das Kasino wie auf die Kirche zu.

Als Führungsperson übe ich Einfluss aus, welcher mir durch diejenigen, die ich führe, freiwillig gegeben wird. Diese Übertragung basiert auf dem Vertrauen, das Menschen mir entgegenbringen. Und das wiederum nährt sich aus den Kompetenzen, dem Charakter und der Persönlichkeit, die Menschen wahrnehmen oder in der Zusammenarbeit erleben. Sie trauen mir zu, die Gruppe so zu leiten, das wir das gemeinsame Ziel erreichen. Diese Definition – angelehnt an Richard Blackaby – gilt unabhängig davon, wo wir Führung ausüben: in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Kirche, der Politik und dem Kasino.

„Und, weisst du es jetzt?“ In der Mittagspause war es unmöglich, der Frage meines Kollegen weiter auszuweichen. „Ich würde sagen, das besonders Christliche in der Führung ist nicht, wo wir führen, sondern dass wir uns ganz von Jesus abhängig machen. Egal, wo ich führe, ob in einer Kirche oder in einem Kasino, ich möchte zuerst herausfinden, wo Jesus mit dem Unternehmen und mit den Mitarbeitenden hinwill. Und dann möchte ich so führen, wie er das heute tun würde, mit viel Liebe, Respekt und Klarheit.“ Diese Antwort hat meinen Kollegen überrascht. Er hätte erwartet, dass christliche Führung etwas Magisches ist oder dass sie nur von ausgewiesenen Menschen an speziellen Orten ausgeübt werden kann. Doch Führung ist Führung – egal von wem und wo sie sich ergibt. Christlich wird sie dann, wenn sowohl das Ziel, wie der Weg zum Ziel von Jesus geprägt sind. In der Kirche heiligt der Zweck die Mittel eben nicht. Im Gegenteil: Wenn unsere Führung nicht dem Leben und der Botschaft von Jesus entspricht, dann ist das Erreichen des Zieles sogar schädlich. Auch wenn das Ganze in und mit der Kirche geschieht.

Mittlerweile waren wir beim Espresso „Wow, da hast du aber einen ganz schön hohen Anspruch“, meinte mein Kollege. „Du erwartest also von einer Führungsperson nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern auch die Fähigkeit, herauszuspüren, was Gott möchte und wie er es getan haben möchte?“ Mein Kollege hat es kapiert. Um als Leiterinnen und Leiter christlich zu führen, brauchen wir nicht nur Führungskompetenz, sondern eine persönliche Gottesbeziehung und eine glaubensvolle Gottesabhängigkeit. In der Beziehung zu Jesus lerne ich, sein Reden wahrzunehmen. Ich verstehe zunehmend, seine von meinen Zielen zu unterscheiden. Im Lesen der Bibel entdecke ich, was dem Leben und der Botschaft von Jesus entspricht. Im Gebet erlebe ich, wie die eigenen Wünsche nach Liebe und Anerkennung gestillt werden. Und im Glauben erfahre ich, dass die Führungsarbeit nur dann wirksam wird, wenn Jesus durch sie wirkt. Darum stärken wir in unseren Weiterbildungsprogrammen bei IGW beide Ebenen: Führungskompetenzen, die für jedes Setting gelten, und Spiritualität, um das spezifisch Christliche in der Führung zu fördern.

Menschen zu führen ist schwierig. Es fordert und überfordert uns regelmässig. Und unser Wunsch, christlich zu leiten, verschärft den Anspruch an uns zusätzlich. Gleichzeitig ist es eine schöne Aufgabe, die uns anvertraut wird. Wir tragen dazu bei, dass Menschen zusammenkommen, Gemeinschaft entsteht, Gaben sich entfalten, Projekte gelingen, Kirche lebt und durch und mit all dem Jesus und sein Reich in unserer Gesellschaft sichtbar werden. Da lohnt sich alle Anstrengung!

*Boris Eichenberger ist Bereichsleiter Weiterbildung bei IGW und Pastor der Vineyard Aarau

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