Was motiviert Menschen sich in Gemeinde zu engagieren?

27.05.2019

Motivation ist ein faszinierendes Thema und sicherlich lohnt es sich zu fragen: Was motiviert Menschen, in die Gemeinde zu gehen und sich dort zu engagieren? Warum ist diese Frage überhaupt wichtig?

Titel

Fabian Heinze*

Von Roberto Assagioli (ital. Arzt, 1888 – 1974) ist eine eindrückliche Geschichte überliefert. Der Frage nach der Motivation folgend, befragte er die Arbeiter in einem Steinbruch, warum sie einer solch schweren Arbeit nachgingen.
Der Erste arbeitete mürrisch und machte immer wieder Pausen. „Es gibt keine schlimmere Arbeit aber ich brauche das Geld.“
Der Zweite sah sehr fleißig aus. „Ich bin verliebt und ich mag die Kollegen. Würden sich die Umstände aber verändern, würde mir die Arbeit auch keinen Spaß mehr machen!“
Der Dritte klopfte hochmotiviert und ohne Unterlass an einem Granitbrock. „Die Arbeit macht mir richtig viel Spaß.“
Das wollte Assagioli genauer wissen und hakte nach: „Aber bei schlechtem Wetter oder wenn es Ärger mit dem Chef gibt, bestimmt weniger?“ „Nein das prallt alles an mir ab!“ kam als überraschende Antwort. „Aber ist das Steineklopfen nicht hart und eintönig?“ „Wieso Steineklopfen - Ich baue hier am Gewölbe einer Kathedrale! Was gibt es wohl Ehrenvolleres?“

Motivation ist ein faszinierendes Thema und sicherlich lohnt es sich zu fragen: Was motiviert Menschen, in die Gemeinde zu gehen und sich dort zu engagieren? Warum ist diese Frage überhaupt wichtig?

König Salomo bringt es auf den Punkt: Die eigene Motivation zu kennen ist entscheidend für alles, was wir tun!

Sprichwörter 4:23-27 (SCH2000)
Mehr als alles andere behüte dein Herz; denn von ihm geht das Leben aus.

Hier soll es um drei Arten der Motivation gehen, die in der Sozialwissenschaft genannt werden.

Der Psychologe Henry Murray berichtet bereits 1938 in einer Veröffentlichung von der sogenannten Anschlussmotivation.  Demnach ist ein wesentlicher Grund, warum Menschen in der Gemeinde aktiv sind, das Gefühl und der Wunsch, Teil einer Gruppe zu sein. So beschreibt Assagioli den zweiten Arbeiter im Steinbruch als jenen, der seine Kollegen liebt. Aber trägt diese Art der Motivation auch durch gemeindliche Krisenzeiten?

Heinz Heckhausen (Motivationspsychologe) beschrieb aber auch die Leistungsmotivation. Der erste Arbeiter im Steinbruch steht als ein gutes Beispiel dafür; Er war nur motiviert durch die (Gegen-) Leistung, die er fürs Steineklopfen bekam!

In der Gemeinde ist die Versuchung dieser Motivation zu folgen nicht geringer. Als Leistungsstandard werden dann Gebote und Regeln gewählt. Aber auch wenn wir allen Segen von Gott nur für uns haben wollen, ist dies Leistungsmotivation. Denn dann machen wir alles nur, um etwas für uns zu bekommen!

Was aber ist die Motivation eines Jüngers oder einer Jüngerin? Was bedeutet es überhaupt Jünger zu sein? Die wohl schönste und kompakteste Definition dazu findet man bei Jesaja, der diese bereits etwa 700 Jahre vor Christus niederschrieb:

Jesaja 50:4-5 (SCH2000)
Gott, der Herr, hat mir die Zunge eines Jüngers gegeben, damit ich den Müden mit einem Wort zu erquicken wisse. Er weckt Morgen für Morgen, ja, er weckt mir das Ohr, damit ich höre, wie Jünger [hören]. Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet; und ich habe mich nicht widersetzt und bin nicht zurückgewichen.

Jünger sein heißt demnach, von Gott zu lernen, indem man andere liebt und aufbaut! Aber was motiviert Jesaja, das zu tun, wenn auch der große Prophet dabei gegen Zurückweichen und Widersetzen zu kämpfen hat? 

Wir kennen ja zum Glück sein Buch und seine Geschichte: Jesaja kannte Gott und hatte eine Beziehung zu ihm.
So wie der dritte Arbeiter im Steinbruch aus Liebe zu Gott an der Kathedrale baute.
Die Motivation, die hier zählt, ist zwar wieder die von Murray beschriebene Anschlussmotivation, aber diesmal nicht an Menschen orientiert, sondern an Gott: Wir wollen, dass Jesus alle Tage bei uns bleibt, weil wir ihn bereits erlebt haben! Dieser Fokus auf die Beziehung zu Jesus wird zur einzig legitimen Motivation!

Heißt das, dass jegliche anders gelagerte Motivation, etwas in der Gemeinde zu tun, fragwürdig sind? Ich will diese Frage mutig verändern: Ist es überhaupt Gemeinde, wenn wir Menschen uns durch etwas anderes motivieren, als Dinge aus der erlebten Liebe Christi heraus zu tun?

In Ephesus gründete Paulus auf seiner zweiten Missionsreise um 52. n.Chr. eine der ersten Gemeinden. Wir erfahren in der Offenbarung, dass sie standhaft war und wuchs und gearbeitet hat – sie war erfolgreich! Aber in der Offenbarung des Johannes erfahren wir dann:

Offenbarung 2:4 (SCH2000)
Aber ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast.

Jesus weist eine wachsende und gedeihende einflussreiche Gemeinde darauf hin, dass ihre Motivation nicht mehr stimmt! Die Konsequenzen, die Jesus hier androht, sind dramatisch.

Offenbarung 2:5 (SCH2000)
Bedenke nun, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke! Sonst komme ich rasch über dich und werde deinen Leuchter von seiner Stelle wegstoßen, wenn du nicht Buße tust!

Das sind deutliche Worte der Bibel. Allerdings weist Jesus durch den Verfasser der Offenbarung darauf hin, wie sich das Motivationsproblem lösen lässt. Was sind die ersten Werke? Hier schließt sich der Jüngerschaftskreis: Ist es nicht in der Liebe Christi zu bleiben und aus dieser Liebe heraus Jünger zu machen?

Ich denke, wir haben ein Motivationsproblem in der Gemeinde, wenn wir versuchen, allein durch attraktive Gottesdienste und stark vereinfachte Jüngerschaftskonzepte Menschen in der Gemeinde zu halten. Es ist toll, wenn Menschen sich dazugehörig fühlen, aber das reicht nicht aus, damit sie in Krisenzeiten standhaft im Glauben stehen.
Der Soziologe Max Weber definiert in Heckhausen/Heckhausen noch eine Motivation, die wir bei Assagioli nicht finden -  Die Machtmotivation„Charismatische Führergestalten mit großem Vorbildpotential, die ihre Visionen zum Vorteil ihrer Untertanen einsetzen und sie zu neuen Ufern führen, sind solche Personen, die die positive Seite des Machtspektrums besetzen. Ihre Untertanen gewinnen durch ihren Herrscher und Führer selbst ein Gefühl von Stärke und Wirksamkeit.“

Beim Lesen dieser Definition könnte einem schon die eine oder andere Gemeinde in den Sinn kommen, die mit diesem Mittel der Motivation arbeitet. Und hoffentlich waren wir nicht auch schon Teil eines solchen Systems, auf welcher Seite auch immer.
Ein Satz der mein Leben der Nachfolge sehr geprägt hat ist: „Glaube heißt Beziehung.“ Diese Beziehung zu Jesus und die Liebe zu ihm soll die einzige Motivation sein, Dinge im Reich Gottes zu bewegen.
Und wenn Jünger sein heißt, anderen ein Wort der Ermutigung zuzusprechen, welches Gott in mein Ohr gesprochen hat, dann will ich genau das auch tun. Dadurch bewahre ich mein Herz in einer Zeit, wo Gemeindebau nicht weniger politisch wird. Aber ich weiß: Meine Motivation stimmt!

*Fabian Heinze ist Bereichsleiter Deutschland bei IGW und Pastor in Berlin

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