Sie leisten, also sind sie?

31.05.2018

Unsere Gesellschaft ist leistungsorientiert. Egal ob in der Wirtschaft, der Politik, im Sport; Leistung ist gefragt! Als Mensch bin ich im Leben gefragt und gefordert. Egal ob mir das passt oder nicht: bei der Arbeit gilt es mehr Kunden zu gewinnen, zuhause wollen die Kinder unterhalten werden und im Sportverein heisst das heroische Ziel Meister zu werden. Ganz zu schweigen von der heutigen Kirchenvorstandsitzung mit dem Thema, wie man die anfallende Arbeit wegen der vielen Kirchenaustritte auf weniger Schultern verteilen kann …

Titel

Bei Gott ja wohl anders, oder?

Wie ist das eigentlich bei Gott? Bei Gott müsste das ja wohl anders sein. Ein Blick in die Bibel zeigt allerdings, dass Leistung nicht nur in der säkularen Gesellschaft gefordert ist. Sie gehört anscheinend auch zum Leben mit Gott! Schon vor dem Sündenfall gibt Gott dem Menschen den Auftrag die Erde zu hegen und zu pflegen. Jesus gibt seinen Nachfolgern die Mission, die Erde mit dem Evangelium zu durchdringen. Und in der Geschichte von den anvertrauten Talenten steht der faule Knecht als warnendes Beispiel, die Ewigkeit nicht irgendwo mit der Bratwurst in der Hand im Fegefeuer zu verbringen.

In der Bibel wird also deutlich: Leistung scheint durchaus ein göttliches Prinzip zu sein. Ein paar Tausend Jahre später prägen jedoch Begriffe wie Workaholic, Burn-Out und Work-Life-Balance unsere Gesellschaft. Irgendwie haben wir wohl etwas falsch verstanden... doch was?

Paulus: der leistende schlechthin

„Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.“ 1. Kor 15.10

Mit diesem Vers gibt Paulus Im neuen Testament noch einen obendrauf. Bescheidenheit tönt für uns Schweizer anders … Die Aussage dieses Verses lässt sich jedoch nicht einfach nur mit der Persönlichkeit von Paulus erklären. Auch wenn seine Attribute nach gängigen Persönlichkeitstest wohl immer die gleichen wären: geschäftig, aktiv, leistungsfähig, ausdauernd, voller Energie …

Gnade verstehen …

Um die vermeintlich angeberische Aussage von Paulus zu verstehen, muss ich das Wort Gnade verstehen. Doch das Wort Gnade ist nur schon ein Begriff, der schwierig zu definieren ist. Denn Gnade hat viele Bedeutungsformen. In dem erwähnten Vers aus 1.Kor 15,10 betont sie aber vor allem die Gunst oder den persönlichen Gunsterweis Gottes. Und diese Gunst Gottes hat und will eine Wirkung haben.

Einerseits hat sie Paulus freigekauft von der Schuld und versöhnt mit Gott. Es geht also um die Wirksamkeit, welche im Tod und Auferstehung von Jesus Christus seinen sichtbaren Ausdruck findet und sich auf das Ewige Leben bezieht. Andererseits hat ihn das erfahren der Gunst Gottes zum Apostel werden lassen (Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin). Die Wirkung zielt also auch auf das Leben im hier und jetzt und nicht nur auf die Ewigkeit.

… und wirken lassen

Und diese Wirkung war bei Paulus gewaltig: vom Saulus zum Paulus. Vom Verfolger der Gemeinde zu ihrem grössten Verfechter. Vom Religionsfanatiker zum Glaubensförderer.

Es greift zu kurz wenn man denkt, dass Paulus einfach ein anderes Ziel vor Augen hatte, einen anderen Lebenssinn. Seine Wandlung hat mit dem wirken lassen der Gnade zu tun. Es ist nicht mehr die eigene Kraft, die eigene Leistung, welche Paulus gewaltiges tun lässt. Paulus wird in unserem Vers nicht Müde zu sagen, was der Kern seiner Identität, sowie seiner hohen Leistungs- und Leidensfähigkeit ist: Es ist die Gnade Gottes. Sie hat bei Paulus ihre Wirkung also nicht verfehlt! Und bei uns?

„Ja, bei mir auch nicht: Ich habe mich mit 17 bekehrt, die Jungschar aufgepimpt, den Jugendgottesdienst salonfähig gemacht, die Gemeinde Besucherfreundlich gestaltet, bin sozialdiakonisch veranlagt, Taufe jedes Jahr 20 Schäfchen und halte und leite …“ Soweit Hans Muster aus Z.

Das Tun gehört zum Mensch sein

In unserer Leistungsgesellschaft bringen wir vieles auf die Reihe. Gott hat den Menschen mit der Fähigkeit geschaffen etwas zu bewegen, etwas zu formen, etwas zu kreieren. Gott selbst bejaht das Tun, das aktiv sein, das Arbeiten. Es ist Teil der Schöpfungsordnung und gibt dem Menschen Würde und Identität. Seit dem legendären Früchtebiss stehen wir aber in der Gefahr, zu leisten und zu tun losgelöst von dem, der all diese Gaben und Fähigkeiten in uns hinein gelegt hat: unser Vater im Himmel.

Doch wenn schon Jesus gesagt hat, dass er nur tut was er denn Vater tun sieht; wie viel nötiger haben dann wir Menschen diese Haltung für unser Leben und Alltag? Wie viel mehr können wir ohne ihn eigentlich nichts tun? Da gibt es doch diesen Vers …

Ich bin, also leiste ich!

Letztlich muss jeder für sich selber klären, was die eigene Grundmotivation im Leben ist,  mit welcher Haltung man leistet und aktiv ist. Es geht hier nicht darum, mein eigenes tun aufzulösen. Denn begnadete sind immer auch wirkende; ansonsten habe ich die Gnade nicht verstanden. Es geht aber letztlich um das Bewusstsein, dass alles was ich kann und bin, durch Gott ermöglicht wird und dass (bedingt durch den Sündenfall) ich in der Gefahr stehe, dies zu vergessen und losgelöst vom Schöpfer zu leisten. Sei dies am Arbeitsplatz, in der Familie, in der Gemeinde oder im Sport!

Ich wünsche ihnen den Mut, sich immer wieder die folgende Frage zu stellen: Wie erlebe ich die Gnade Gottes in meinem Leben und was könnte mir helfen in ihr zu wachsen? Es lohnt sich, diese Fragen zu klären. Denn Gnade wirken lassen hat etwas mit meiner Beziehung zum Schöpfer zu tun. Und diese soll die Grundlage all meines Leistens sein, oder?


zum autor

Manuel Rohner ist verheiratet und Vater von zwei Kindern: Lena (2008) und Joel (2010). Aufgewachsen und Wohnhaft in Winterthur hat er nebst KV-Lehre das IGW-Studium abgeschlossen. Seit 2005 arbeitet er bei der christlichen Sportorganisation Athletes in Action (einem Arbeitszweig von Campus für Christus) als Leiter Training und Sportmentor. Sportlich liebt er alles was mit einem Ball zu tun hat und isst Pizza gerne mit Bananen drauf.

manuel rohner

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