Vorliegende Arbeit geht aus vom Verlassenheitsschrei Jesu am Kreuz (Mk 15,34; Mt 27,46), auf dessen Grundlage eine Glaubens- und Verkündigungspraxis entwickelt wird, die das Leiden dieser Welt ernst nimmt und darauf eingeht. Wird Gott in einem gottlosen Foltergeschehen eines gottverlassenen Menschen erkannt, hat das massive Auswirkungen auf den Gegenstand (Gottesbild), den Ausdruck (Spiritualität) und die Verbalisierung (Verkündigung) des christlichen Glaubens.
Der Weg zur Entwicklung dieser praktischen Konsequenzen beginnt mit einer biblischen Betrachtung der matthäischen und markinischen Schilderung des Kreuzesgeschehens. Das Herzstück der Arbeit besteht in der Darstellung dreier Ansätze, die Gottverlassenheit Jesu zu interpretieren, die nicht gegenüberstellend, sondern ergänzend betrachtet werden: Die jüdische Schechina-Theologie wird durch Jürgen Moltmanns trinitarische Kreuzestheologie erweitert und konkretisiert und durch die Spiritualität Chiara Lubichs erfahrungsbezogen ausgedrückt. Alle drei Ansätze versuchen das Paradox eines „gottverlassenen Gottes“ in Sprache zu fassen. Eine Synthese dieser drei Ansätze auf Grundlage der zu Beginn herausgestellten biblischen Betrachtungen bildet den Ausgangspunkt für die Glaubens- und Verkündigungspraxis. Die Arbeit endet mit einem Vorschlag zu einer konsequent missionalen Kreuzestheologie und einem eschatologischen Ausblick. Beides kann in weiterführenden Arbeiten vertieft werden.