Wenn diese Frage ein christlicher Politiker beantwortet, liegt die Antwort auf der Hand. Am liebsten antworte ich jeweils mit einem Zitat von Max Frisch, welches natürlich nicht nur für Christen seine Bedeutung hat: «Wer sich nicht mit Politik befasst, hat die politische Parteinahme, die er sich sparen möchte, bereits vollzogen: er dient der herrschenden Partei.»
Es gibt viele Vorwände, die man als Christ nun noch finden könnte, sich trotz allem nicht politisch zu betätigen. Die einen sagen: Die Bibel ist doch gerade kein politisches Rezeptbuch, deshalb gibt es auch keine christliche Politik und wir halten uns besser zurück. Andere meinen, christliche Politik sei undemokratisch und deshalb findet sich für Christen gerade in Demokratien kein Platz. Oder die Politik wird einfach als «korruptes Drecksgeschäft» angesehen und deshalb anderen überlassen. Man will sich die Hände lieber nicht schmutzig machen.
Die Motivation meiner politischen Tätigkeit wie auch meines ganzen Lebens ist es, diakonisch zu wirken. In einem gewissen Sinn sollte das Dienen Ziel jedes Christen sein. Ich beziehe Diakonie gerade auch auf den gesellschaftspolitischen Bereich. Mit anderen Worten: Mir ist daran gelegen, christlich orientierte, ethische Überzeugungen in die öffentliche Debatte einzubringen. Aufgrund meiner Prägung engagiere ich mich insbesondere in lebensethischen Fragen und in der Familienpolitik, aber auch in Fragen der sozialen Gerechtigkeit.
Ob sich ein Christ für ein öffentliches Amt zur Verfügung stellt, ist abhängig von «seiner Berufung» und seinem Beruf. Ob er sich für das politische Geschehen interessiert und in der Schweiz aktiv teilnimmt an Abstimmungen und Wahlen ist aus meiner Sicht jedoch Pflicht, wenn er seine Verantwortung als Christ wahrnehmen will.
Eine theologische Ausbildung halte ich für die politische Arbeit als eine ausgezeichnete Grundlage. Im Gespräch mit anderen Politikern sehe ich, dass sie sogar wichtig und entscheidend sein kann – vor allem bei ethischen Fragen. Für mich persönlich ist sie in Verbindung mit meinem Glauben der Ursprung und die Motivation meiner politischen Tätigkeit.
Marc Jost ist verheiratet und hat vier Kinder: Micha (2005), Noemi (2006), Salome (2009) und Timea (2011). Aufgewachsen ist er in Spiez, wo er auch seine erste Ausbildung zum Primarlehrer gemacht hat. Anschliessend war er in der Nähe von Brienz als Lehrer tätig und studierte anschliessend Theologie in der Region Basel. Jetzt wohne er mit seiner Familie seit 2003 in Thun, wo er als Pfarrer tätig war. Seit 2012 ist er als Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz für den Bereich Gesellschaft und nationale Koordination tätig.